Getreu Marshall McLuhans Diktum, dass man ein Medium erst dann verstehen kann, wenn man es durch ein anderes sieht, schauen wir auf Algorithmen durch die Membran der Pflanzen. Zu lange wurde auf Pflanzen durch Daten geblickt; sie wurden vermessen, quantifiziert, aktuell kontinentübergreifend mit Sensoren ausgestattet. Wir drehen den Spieß um. Wir wollen das World Wide Web durch das Wood Wide Web begreifen. Den Data Tree durch den Baum der Erkenntnis. Pflanzen und Daten sind uns fremd, weil sie eine andere Zeitlichkeit haben; die einen zu langsam für unsere Wahrnehmung, die anderen zu schnell. Sie haben keine feste Form, wollen stets wachsen, können Zivilisationen überdauern, sind passiv und aktiv, kommunizieren elektrisch, kommunizieren global, sind Potenz, Rhizom und Vielheit: Der Singular von Daten ist Datensatz.
Die Gärter*innen des “Garden of Tangled Data” sehen all das mit Wohlwollen und Interesse. Es sind schon zu viele Horrorfilme gedreht worden. Unser Garten ist, wie jeder Garten, ein Abbild unserer Vorstellung vom Paradies. Pluralität, Interesse und Wohlwollen ist unser Paradies. Wir bestellen ein friedliches Ökosystem des kreativen Miteinanders alles Anwesenden. Wurzeln, Menschen, Festplatten. Wir beenden den Krieg aller gegen alle, und propagieren die speziesübergreifende Allianz von Algorithmen, Pflanzen, uns. Keine Taxonomien, kein Tagging. Atmosphäre schaffen. Nenn mir das sozialste Medium: Pflanzen. Im “Garden of Tangled Data” wollen wir von der Intelligenz der Pflanzen lernen.
Keine Lunge zu brauchen. Lunge zu sein. Kein Hirn zu brauchen. Netzwerk zu sein. Kein Herz zu brauchen. Solidarisch sein. Nichts zu brauchen außer Licht. Wir wollen Licht essen und Atmosphäre schaffen. Wir können alles abgeben: Zucker, Wasser, Sauerstoff, Wissen. Wir können alles loslassen: Zweige, Blätter, Blüten, Besitz. Ohne Schmerz, ohne Schlaf, ohne Verlust, bleiben wir wir.
Wir müssen den Zerfall umarmen. Wir müssen Humus werden. Festplatten müssen Steine werden. Steine müssen kompostieren. Das Virtuelle gleichwie das Vegetative sind Potenzen, Möglichkeiten des Werdens, des So-Werdens oder Anders-Werdens. Das Wort für Welt ist Wald. Das Wort für All ist Algorithmus. Wir brauchen Phytolinguisten, wir brauchen Algolinguistinnen. Wir bestaunen das Neue, wir feiern Kreisläufe und Metamorphosen. Komm in den Garten.
Christiane Kühl für doublelucky productions